Offener Brief zum „Eisenberger M*fest“

In diesem Jahr hat die Stadt Eisenberg erstmals einen neuen, rassistischen Namen für ihr Stadtfest gewählt. Mit einem offenen Brief hat sich das Thüringer Antidiskriminierungsnetzwerkes (thadine) deshalb an den Bürgermeister gewendet. Auf dieser Seite dokumentieren wir den Brief und weitere Reaktionen.

An dieser Stelle möchten wir weitere relevante Quellen verlinken:

 


(Pressemitteilung vom 12.09.2019)

Wie soll ein Stadtfest heißen und wie sprechen wir über Rassismus?
Das Thüringer Antidiskriminierungsnetzwerk (thadine) teilt die Kritik des ISD am Namen des Eisenberger Stadtfestes und ist irritiert von den Aussagen des Bürgermeisters Michael Kieslich

 

Im Vorfeld des diesjährigen Eisenberger Stadtfestes kritisierten verschiedene Organisationen und Personen dessen neuen Namen als rassistisch und forderten die Stadt zum Handeln auf - ein anspruchsvolles und emotional besetztes Thema. Nach einer längeren Pause ist nun wieder Bewegung in die Auseinandersetzung gekommen. Dabei wirft das Verhalten des Bürgermeisters die Frage auf, ob eine ernsthafte Auseinandersetzung tatsächlich gewünscht ist.

Auslöser der aktuellen Entwicklungen ist die Bekanntgabe von Bürgermeister Kieslich, dass die Verträge mit dem Veranstaltungsbüro Konzept Team Gera GmbH verlängert worden seien und das Stadtfest auch im kommenden Jahr weiter den rassistischen Namen tragen solle (OTZ vom 04.09.2019). Die Lokalgruppe Thüringen der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) reagierte „fassungslos und empört“ und kritisierte die fehlende Bereitschaft zu einer Auseinandersetzung mit „pseudo-historischem Kitsch“. Statt Kontakt aufzunehmen oder eine historische Kommission zu gründen, habe sich die Stadt durch die Entscheidung für ein Beibehalten des Namens für eine neue Qualität der Diskriminierung entschieden.

In seiner Reaktion (OTZ vom 10.09.2019) bezog Bürgermeister Kieslich dazu keine inhaltliche Stellung, sondern sprach lediglich über die Form, in der die Kritik adressiert wurde. Zugleich verwies er auf ein geplantes Gespräch mit unserem Netzwerk und hob dabei hervor, dass wir uns direkt an die Verwaltung gewandt hätten und nicht nur über die Medien kommunizieren würden.

Dazu nimmt Daniel Bartel, ein Sprecher des Netzwerkes, Stellung:

„Wir weisen die Aufspaltung in „gute" und „schlechte“ Kritik entlang der Wahl der Kommunikationskanäle deutlich zurück und sind irritiert von dem darin zu Tage tretenden Politikverständnis. Dass es sich bei dieser Zurückweisung wegen der Form mit der ISD um eine Selbstorganisation Schwarzer Menschen handelt, gibt in dieser Auseinandersetzung um Rassismus besonders zu denken. Wir teilen die Kritik der ISD. Auch für unser Netzwerk hat sowohl die Bekanntgabe der Beibehaltung des Namens als auch die aktuelle Entwicklung grundsätzliche Fragen über Möglichkeiten und Grenzen des Dialogs mit der Stadt Eisenberg aufgeworfen. Wir werden uns nicht instrumentalisieren lassen und stehen für einen reinen PR-Dialog nicht zu Verfügung. Unser grundsätzliches Interesse an einer ernsthaften Auseinandersetzung und unser Angebot zur Unterstützung bei der Suche nach angemessenen Lösungen besteht hingegen weiter. In den kommenden Tagen werden wir mit Herrn Kieslich klären, was von beidem die Eisenberger Verwaltung wünscht.“

Bezüglich der Hintergründe des geplanten Gesprächs und den neuerlichen Fragen zu seiner Zielsetzung erläutert Christina Büttner, Sprecherin des Netzwerkes:

„Uns irritiert die Veröffentlichung des geplanten Gesprächstermins und die Form, wie er in der aktuellen Debatte seitens der Stadt genutzt wird. Mit uns war ein Gespräch mit dem Bürgermeister und dem Vorsitzenden des Kulturausschusses vereinbart. Erst nach einer längeren Zeit der Unsicherheit seitens der Stadt wurde der Termin am 23.08.2019 durch eine Mitarbeiterin des Bürgermeisters telefonisch bestätigt. In der Zeitung steht nun, dass auch alle Fraktionen des Stadtrates teilnehmen sollen und anschließend eine Pressekonferenz geplant ist. Uns ist aktuell nicht nachvollziehbar, wann und warum diese Änderungen des Rahmens erfolgten. Wir haben Gesprächsbedarf.“

 

Daniel Bartel, Geschäftsführer des Antidiskriminierungsverbandes Deutschland (advd) und Christina Büttner, Projektkoordinatorin von ezra. Beide Organisationen sind Mitglieder im Thüringer Antidiskriminierungsnetzwerk thadine.

Das Thüringer Antidiskriminierungsnetzwerk (thadine) ist ein Netzwerk nichtstaatlicher Organisationen und Aktivist*innen aus verschiedenen Bereichen der Sozialen Arbeit, Bildung, politischen Arbeit und Wissenschaft. Das Netzwerk umfasst Selbstorganisationen von Diskriminierung betroffener Gruppen ebenso wie Organisationen ohne explizite Community-Anbindung. thadine berät, unterstützt und vernetzt Menschen, sensibilisiert Organisationen, Institutionen sowie die breite Öffentlichkeit und setzt sich wissenschaftlich mit gesellschaftlich relevanten Themen auseinander.


(Offener Brief vom 20.05.2019)

An:

Stadt Eisenberg
Herrn Bürgermeister Michael Kieslich
Markt 27
07607 Eisenberg


„Eisenberger Mohrenfest“ vom 24. bis 26. Mai 2019

Weimar, den 20.05.2019

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

zweifellos hat die Pflege regionaler Bräuche und Traditionen einen wichtigen Stellenwert im Leben vieler Menschen. Dazu gehört die überlieferte Fest- und Feierkultur, in der sich das Heimatgefühl und der Gemeinschaftssinn ausdrücken. Umso wichtiger ist es, sich mit dem Ursprung und mit der Symbolik von Traditionen zu beschäftigen. Dabei ist es allerdings auch notwendig, bestimmte Aspekte kritisch zu hinterfragen.

So verhält es sich auch mit dem Namen des sogenannten „Mohrenfestes“ in Eisenberg, das vom 24. bis 26. Mai 2019 stattfinden wird. Die Stadt Eisenberg trägt zudem einen sogenannten „Mohrenkopf“ im Stadtwappen, besitzt einen offiziell so bezeichneten „Mohrenbrunnen“ und gilt bis heute als „Mohrenstadt“.  

Dieser Tradition liegt die Stadtsage zugrunde, in der ein versklavter Mensch afrikanischer Herkunft auf seine Hautfarbe und entsprechende rassistische Stereotypen reduziert wurde. Ein Mensch mit dunkler Hautfarbe wird in der Sage fälschlicherweise einer Straftat verdächtigt und anschließend durch Zufall entlastet; „ihm zu Ehren“ wird vermeintlich in der lokalen Tradition und im Stadtwappen erinnert. Dabei wird bis heute die rassistische Bezeichnung „Mohr“ offenbar völlig distanzlos verwendet.

Die Bezeichnung „Mohr“ verweist auf eine jahrhundertelange Geschichte von Kolonialverbrechen und das Ungleichwertigkeitsdenken gegenüber Menschen mit dunkler Hautfarbe bzw. afrikanischer Herkunft. Die verbundenen Augen des „Mohren“ im Stadtwappen Eisenbergs müssen als eine Bezugnahme darauf verstanden werden.

Auch in der Gegenwart wird durch die Verwendung historischer Begriffe wie „Mohren“ oder durch ein solches Stadtwappen Menschen mit dunklen Hautfarbe pauschal der Status von „Fremden“ und „Exoten“ zugewiesen. Sie werden herabgewürdigt und ausgegrenzt. Dabei ist gleichgültig, ob Personen, die rassistische Begriffe oder Bilder verwenden, dies beabsichtigen. Entscheidend ist die Wirkung auf Betroffene.

Der Symbolcharakter, der von Namen wie „Mohrenfest“ auch im Jahr 2019 ausgeht, ist deshalb katastrophal. (Das Gleiche gilt für die Bildsprache von Stadtwappen und Stadtbrunnen.) Die unkritische Weiterverwendung von rassistischen Begriffen und Bildern in der Öffentlichkeit – besonders aus folkloristischen Gründen und zu Werbezwecken – verunsichert und verletzt Menschen mit dunkler Hautfarbe. Dies wird auch von vielen anderen Bürger*innen als beschämend empfunden, die sich für die Förderung einer weltoffenen, demokratischen und zeitgemäßen Kultur und Heimatpflege in Eisenberg, im Saale-Holzland-Kreis und in Thüringen einsetzen.

In Thüringen gibt es inzwischen mehrere Initiativen, die das historische Erbe des Kolonialismus und Rassismus in ihren Städten und Gemeinden kritisch aufarbeiten. Es ist an der Zeit, dass auch in Eisenberg eine kritische Auseinandersetzung mit dem lokalen Traditionsverständnis erfolgt. Dazu wollen wir die Bürger*innen Eisenbergs ermutigen und einladen.

Aus den oben genannten Gründen möchten wir Sie dazu anregen, über eine Umbenennung Ihres Stadtfestes nachzudenken. Gern sind wir bereit, dazu ein Gespräch mit Ihnen und den Mitveranstaltenden zu führen.

Mit freundlichem Gruß

das Thüringer Antidiskriminierungsnetzwerk - thadine

 

Pressekontakt für Anfragen:

Matthias Gothe
Telefon: 01525 - 65 00 716

Thüringer Antidiskriminierungsnetzwerk

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